Unser Einsatzgebiet

Vorab noch eine kurze Anmerkung zu Mali, wo die Aktivitäten des TAMAT e.V. im Jahr 2004 ihren Ursprung hatten. Nach dem Aufstand im Norden des Landes, im Jahr 2012, kamen dort unsere Projekte zum Erliegen. Im Jahr 2019 hatten wir die Wiederaufnahme unserer Arbeit geplant – mit der Errichtung eines Handwerkerzentrums in Kidal. Für TAMAT e.V. waren die Voraussetzungen äußerst günstig, alte Verbindungen bestanden noch und gegenseitiger Respekt schien das Unmögliche möglich zu machen. Das BMZ setzte Vertrauen in uns und bewilligte die Projektidee. Eine Intervention von Seiten der Diplomatie jedoch stoppte das Projekt. – Im Jahr 2020 entschied eine luxemburgische Hilfsorganisation unser Konzept für Kidal zu kopieren und zu starten. Wenn nun auch nicht TAMAT e.V. involviert ist, so doch unser Mitglied und Nord-Mali-Experte Dr. Dida Badi – als Geschäftsführer des nun luxemburgischen Projektes. Wir wünschen ihm auch 2021 viel Erfolg bei seiner Mission.

Die Lage in der Republik Niger galt 2020 als weitgehend stabil; dies gilt auch 2021 nach den Stichwahlen zur Präsidentenwahl – nicht zuletzt gesichert durch diskrete Präsenz westlicher Elite-Truppen. Doch unverändert besteht die Gefahr, dass der Einfluss von Islamisten weiterhin wächst. Die Jugend ist schnell verführt; ihr gilt durch unsere Maßnahmen zur Aus- und Fortbildung ganz besondere Aufmerksamkeit. – Da sich der Staat Niger in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Transitland für Flüchtlinge Richtung Europa entwickelt hat, sind weitere externe Einflüsse schwer abschätzbar. Auch wenn die Zahl der durch Agadez ziehenden Migranten 2021 deutlich sinkt. Aber: Viele sind vor Ort sesshaft geworden.

Doch nun gilt es, zum Beispiel jenen Menschen legale Alternativen anzubieten, die vorher ihren Unterhalt als Schleuser verdienten; so paradox das im ersten Moment klingen mag.

Die Sensibilisierung der europäischen wie der deutschen Bevölkerung für den Direktzusammenhang von >Armut> Terror> Flüchtlinge> Mittelmeer> Europa> Deutschland< greift noch immer zu kurz, viel zu langsam und noch längst nicht nachhaltig. Die Besuche deutscher Politiker haben zwar die Aufmerksamkeit für eines der ärmsten Länder der Welt erhöht; die Probleme in dem westafrikanischen Sahelstaat bleiben jedoch weiterhin eine hohe Herausforderung.

Ende des Jahres 2020 fanden im ärmsten Land der Welt (gemäß UN-Index) Präsidentschafts- und Regionalwahlen statt. Sie verliefen ruhig; das Ergebnis einer Stichwahl Anfang 2021 brachte die Entschei-dung für Mohamed Bazoum als Präsident im höchsten Amt Nigers.

Der TAMAT e.V. erhielt sowohl 2020 und 2021 noch großzügigere Projekt-Unterstützung durch die Bundesregierung (BMZ) im Rahmen der Konfliktprävention durch berufliche Aus- und Fortbildung (Gewerbepark Tchighozérine), sowie für das Projekt Steigerung der Erträge in Oasengärten in Nord-Niger und Erprobung neuer landwirtschaftlicher Produkte.

In 2021 erweitert sich diese Projekt-Palette um

  1. Erweiterung der Oasenwirtschaft im Verbund mit Agroforstwirtschaft PAARA-2
  2. Bau und Betrieb eines Berufsbildungszentrums in Agadez (CFA)
  3. Errichtung und Betrieb einer Molkerei für Kamelmilch (CLC)
  4. Erweiterung und Fortsetzung des Betriebs der Mobilen Klinik MKS / Clinique Mobile

Bei der Umsetzung all dieser Projekte vertritt uns vor Ort unser lang-jähriger und sehr zuverlässiger Partner, die NRO SALFER AFRICA.

Unsere Partner in Nord-Niger haben sich 2020 und bisher auch in 2021 wacker geschlagen – trotz CoViD-19, und obwohl sie zusätzlich nach der äußerst heftigen Regenzeit und den Überschwemmungen seltenen Ausmaßes auch noch mit einer regionalen Malaria-Epidemie zu kämpfen hatten. – Alles in allem können wir von Glück sagen; unsere Projekte mussten Schäden und Verzögerungen hinnehmen, konnten dennoch am Jahresende 2020 alle auf eine weitgehend erfolgreiche Bilanz zurückblicken, die sich aktuell in 2021 erfolgreich fortsetzt.

Unsere bisherigen Projekte in der Republik Niger liegen in einem Radius von ca. 60 km rund um die Stadt Tchighozérine in der Großgemeinde gleichen Namens, in der Region Agadez im Norden von Niger. Die Gemeinde zählt mit ca. 40.000 km² (entspricht in der Fläche etwa Baden-Württemberg plus zweimal Saarland) zu den flächenmäßig größten Gemeinden im Land.

Die Einwohnerzahl von Tchighozérine beträgt gegenwärtig etwas über 70.000 Personen (Schätzung 2018). Die Gemeinde ist in elf Stadtviertel, 58 administrative Dörfer, ein traditionelles Dorf, zwei Wei-ler, 29 Lager und 13 Wasserstellen gegliedert. Der weit überwiegende Teil der Einwohner zählt zur ethnischen Gruppe der Tuareg, die als Oasengärtner im Bewässerungsgartenbau, als Voll- und Seminomaden in der Viehhaltung sowie als Händler leben.

Eine Besonderheit der Gemeinde sind ihre Kohlevorkommen. Seit 1980 werden im Tagebau ca. 160.000 T Kohle pro Jahr abgebaut. Die Kohle dient ausschließlich der Stromerzeugung. Der Strom wird zu großen Teilen für die Uranminen weiter im Norden und zur Anreicherung des Uranerzes verwandt. Auf dem Gemeindegebiet gibt es zudem eine industrielle Mineralwasserproduktion, deren Produkte im gesamten Land verkauft werden.

Auch der handwerkliche Goldbergbau absorbiert eine beträchtliche Anzahl der männlichen Einwohner der Gemeinde; er erhöht das Einkommen vieler Familien und somit die Kaufkraft in der Gemeinde und Region: Ein sehr positiver Effekt für das Projekt Gewerbepark hinsichtlich der Absatzmärkte für Produkte und Dienstleistungen.

Mit dem Beginn einer industriellen Produktion in Tchighozérine war ein bedeutender Zuzug auf das Gebiet der Gemeinde und besonders in den Hauptort verbunden. Betrug die Einwohner-zahl im Jahr 1988 noch ca. 5.500 Personen, hatte sie sich im Jahr 2001 mit über 9.000 Ein-wohnern schon beinahe verdoppelt. Heute liegt sie bei (geschätzten) 33.000 Einwohnern im Hauptort und bei über 70.000 Einwohnern in der Gesamtgemeinde. Nicht genau abschätzbar ist die Zahl der Rückwanderer aus Libyen.

Nach Angaben des nigrischen Außenministeriums sollen nach dem Ende des Regimes Ghaddafi im Jahr 2011 bis zu 200.000 Nigerer aus Libyen in ihr Herkunftsland zurückgekehrt sein. Eine beträchtliche – wenn auch unbekannte – Zahl dieser Rückkehrer ließ sich in der Gemeinde Tchighozérine nieder.

Eines der größten Probleme der Gemeinde besteht darin, für die stark wachsende Bevölkerung nun Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der herkömmlichen Bereiche – Bewässerungsgartenbau, voll- oder halbnomadische Viehhaltung und Handel – zu schaffen. Zwar hat ein Teil der Rückkehrer und jungen Leute in den genannten traditionellen Bereichen Beschäftigung gefunden, andere arbeiten als Handwerker, in den Ordnungskräften oder im Kohlebergbau. Die Zahl der arbeitslosen – und vor allem jungen – Leute ist dennoch sehr hoch; im Niger sind immerhin 67% der Bevölkerung jünger als 25 Jahre (CIA Worldfactbook). Dies erklärt den enormen Bedarf an zusätzlichen wie neuen Berufsbildungs- und Berufsfortbildungsmaßnahmen zur sozialen Stabilisierung der sehr jungen Gesellschaft in Tchighozérine.

Allerdings bestehen „alternative“ Beschäftigungsmöglichkeiten vor allem für junge Tuareg im Schmuggeln von Waffen und Drogen oder beim inzwischen illegalen Schleusen von Migranten. Es besteht die Gefahr, dass ein Teil der jungen Leute den Verlockungen krimineller Aktivitäten oder extremistischer Ideologie erliegt. Zwar ist es der Regierung von Niger gelungen, – unter anderem dadurch, dass ehemalige Rebellenführer der Tuareg und anderer Gruppen in verantwortliche Positionen kooptiert wurden – die Rebellionen vor allem der Tuareg friedlich zu beenden und die Entwicklung islamistischen Terrors zu verhindern, wie sie im Nachbarland Mali zu beobachten ist. Diese Gefahren bestehen jedoch weiterhin.

Deshalb ist jegliche Maßnahme einer nachhaltigen Ausbildung von Kindern und Jugendlichen in der Region von besonderer Bedeutung. Jedoch sind viele der „Grundschulen“/ Landschulen weitab im Busch und nur dürftig ausgestattet. Es gilt, auch dort Schulen und alle notwendigen wie begleitenden Maßnahmen zu fördern, um eine Indoktrination durch extremistische Kräfte zu verhindern, die die Situation von Armut und Perspektivlosigkeit für ihre Absichten ausnutzen.

Noch wichtiger ist für die dann heranwachsenden Jugendlichen eine berufliche Aus- und Fortbildung mit Berufs- und Einkommensperspektiven. TAMAT e.V. ist diesbezüglich bisher erfolg-reich mit dem Gewerbepark und mit dem nun zu errichtenden Berufsbildungszentrum tief involviert.

Die in 2020 durchgeführten Inspektions- und Evaluierungsreisen von Prof. Dr. Georg Klute sind im Detail im Jahresbericht 2020 festgehalten.

März 2021 und Juli 2021: Prof. Dr. Georg Klute besucht wiederum unser Projektgebiet; er ist ja dort seit Jahrzehnten zu Hause. Er kommt nicht als Fremder, sondern als Freund und Quasi-Mitglied der einen oder anderen Familie. Er verteilt keine Almosen, er hilft seit Jahrzehnten gemäß dem Motto von TAMAT: Hilfe zur Selbsthilfe. – Dennoch bedarf es bei jedem Projektbesuch seines zusätzlichen militärischen Schutzes, wenn er über Land reist. Extremisten suchen Entführungsopfer…